Der Griff nach der Grafschaft
Niederländische Gebietsansprüche nach 1945
Fünf Jahre harte Besatzungsherrschaft erdulden die Niederlande seit dem Überfall durch die deutsche Wehrmacht am 10. Mai 1940. Als Wiedergutmachung soll auch die Grafschaft große Gebiete abgeben. Der Bakker-Schut-Plan sieht vor, die gesamte Fläche vollständig in die Niederlande einzugliedern.
Vor allem die vorhandenen Bodenschätze, die in diesem Gebiet lagern, machen den Landstrich für eine Annexion interessant: Erdöl und Erdgas, Torf, Sand, Kies, Raseneisenerz und Asphaltit. Politisch wird das Projekt anders begründet: Die Verkürzung der Grenzlinie und die Entwicklung der bisher vernachlässigten Infrastruktur sind die Argumente. Die Deutschen in dem betroffenen Gebiet dürften bleiben, wenn sie bereits vor dem 10. Mai 1940 hier lebten.
Seit 1946 sammeln sich die Mitglieder der Herrnhuter Brüdergemeine in Alexisdorf. Müssen die Schwestern und Brüder wieder fort? Die eigene Kirchengeschichte und die Missionsarbeit verbindet sie mit den Niederlanden. Stimmen im Nachbarstaat sprechen schon 1949 von deutsch-niederländischer Nächstenliebe. 1952 schenkt die niederländische Nationale Kommission für Flüchtlingshilfe den Neugnadenfeldern einen Kindergarten samt Inventar.
Das Verhältnis der Niederlande zu den örtlichen Behörden ist weniger freundschaftlich geprägt. Der 1947 gegründete Bentheimer Grenzlandausschuss wehrt sich mit einem Gutachten gegen den Griff nach der Grafschaft. Das Niedersächsische Landeskabinett befasst sich 1948 vor Ort auf einer Kabinettssitzung im Barackenlager Bathorn mit dem Problem. Das Gutachten liegt auch der Londoner Konferenz 1949 vor, die über die Grenzfrage nach dem Krieg entscheidet.
Die niederländischen Pläne werden nicht umgesetzt. Ein Grund dafür ist der beginnende Kalte Krieg: Westdeutschland bekommt die Rolle des Bollwerks gegen den kommunistischen Ostblock - das Land muss gestärkt, nicht demoralisiert werden.
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Warnschild am Sperrgebiet entlang der niederländischen Grenze im Jahr 1945. Die britische Besatzung richtet nach Kriegsende ein durchschnittlich 1,2 Kilometer breites Sperrgebiet ein, um den niederländischen Gebietsansprüchen zu begegnen.
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Beim Aufbau des Kindergartens, ein Geschenk aus den Niederlanden, packen die Jugendlichen aus Neugnadenfeld selbst mit an.
Rechtes Bild
Niederländische Gebietsforderungen nach dem Zweiten Weltkrieg. Die schraffierten Flächen zeigen die betroffenen Gebiete: Die „Grafschafter Faust" ist deutlich zu erkennen.